Paul dankt seinen Lebensrettern

Paul inmitten seiner Familie und Retter auf dem Hubschrauberlandeplatz. Foto: Paul Glaser

„Ihr Sohn hatte einen Unfall in der Schwimmhalle. Er hat sich verletzt und wird ins Krankenhaus gebracht. Entweder Sie kommen noch schnell hierher ins Neißebad oder Sie fahren direkt in die Notaufnahme.“ Als Christian Trautmann diese Sätze hörte, ahnte er nicht, was auf ihn zukommt. Er rief Pauls Mama an und machte sich auf den Weg in die Notaufnahme des Klinikums. Dort kam er fast zeitgleich mit dem Rettungswagen an. „Ich dachte noch, dass mich Paul gleich anschaut und sich „nur“ einen Arm oder das Bein gebrochen hat“, erinnert er sich. Doch was er dann sah, wird er niemals vergessen: Sein achtjähriger Junge war intubiert, wurde beatmet, war bewusstlos und kreidebleich. Um ihn herum Notarzt und Rettungsteam. Sie alle arbeiteten Hand in Hand und brachten Paul zügig, aber behutsam in den Schockraum. Auch Ulrike Müller, Pauls Mutti, war nun mit da. Der Schock stand beiden ins Gesicht geschrieben. Ihr Sohn war rückwärts vom 3-Meter-Turm auf die Fliesen gestürzt.

Mit dem Leben nicht vereinbar

„Paul hatte ein schweres Schädel-Hirntrauma mit Bruch der rechten Schädelkalotte, einem über einen Zentimeter breiten Hämatom über der rechten Hirnhälfte mit Mittellinienverlagerung zur Gegenseite“, sagt Dr. Peggy Hoche. Sie ist leitende Oberärztin der Klinik für Neurochirurgie im Städtischen Klinikum Görlitz. Bei einer solchen Verletzung kommt es zu einer Hirnschwellung und durch den Druck der Blutung zur Verlagerung der rechten Hirnhälfte auf die Gegenseite mit der Gefahr, dass das Großhirn bzw. der Hirnstamm einklemmt. „Das wäre mit dem Leben nicht vereinbar gewesen.“ Die Neurochirurgin wählt diese Worte sehr achtsam.
„Man kann nicht beschreiben, was man als Mutter fühlt, wenn man das hört“, sagt Ulrike Müller. Sie ist noch sichtlich mitgenommen, wenn sie davon erzählt. „Es war eine so unwirkliche Situation.“ Hilflosigkeit und Angst überwältigten die Eltern. Paul hätte sofort nach Dresden in die Uniklinik geflogen werden sollen, weil es in Görlitz keine Kinderintensivstation gibt. Doch der Hubschrauber war nach einem anderen Notfall noch nicht wieder einsatzbereit. „Es kam auf jede Minute an“, erklärt der diensthabende Neurochirurg Dawid Jakub Biliniski. „Wir sind Schwerpunktkrankenhaus und Traumazentrum und haben Routine bei der Behandlung von schweren Schädel-Hirntraumata vor allem bei Erwachsenen“, sagt Frau Dr. Hoche.

Seine Chancen standen schlecht

Pauls Chancen zu Überleben sanken mit jeder Minute. „Zeit ist Hirn. Wir konnten nicht mehr warten und haben in Abstimmung mit den Kollegen aus der Anästhesie entschieden, Paul sofort im Klinikum zu operieren und erst im Anschluss ins Uniklinikum zu bringen“, sagt Neurochirurg Bilinski. „Die Ärzte machten uns klar, dass es Pauls einzige Chance war“, erinnert sich Christian Trautmann. Die Eltern willigten sofort ein. Dann hieß es: warten. Die Neurochirurgen mussten das rechte Schädeldach entfernen, das Hämatom unter der Schädeldecke entfernen und eine Hirnhauterweiterungsplastik einnähen. Unter höchster Konzentration operierten die Neurochirurgen Paul zwei Stunden lang. Alle im OP nahmen Anteil – Schwestern und Pfleger, die Anästhesisten und Intensivmediziner.

Ob er wieder aufwacht?

„Wenn es um ein Kind geht, ist alles anders“, sagten sie. Viele der Beteiligten sind selbst Eltern, auch Frau Dr. Hoche und Herr Bilinski. Und so war es zunächst berührend, als sie den Eltern, die draußen warteten, sagen konnten, dass die OP komplikationslos verlaufen und Paul für den Transport mit dem Rettungshubschrauber nach Dresden bereit war. Doch so gut die Operation auch verlief – die Prognosen für Paul waren auf Grund
des schweren Schädel-Hirntraumas nicht gut. „Die Ärzte in Dresden sagten zu uns, „seien Sie froh, wenn er überhaupt wieder aufwacht. Seien Sie froh, wenn er sie wieder erkennt. Seien Sie froh…“, erinnert sich Christian Trautmann.

Paul kämpft sich ins Leben

Und während die Eltern mit dem Gedanken einer Pflegebedürftigkeit von Paul konfrontiert wurden, kämpfte der Kleine sich ins Leben zurück. Er wachte auf. Es dauerte ein bisschen, aber er erkannte seine Eltern. Er begann auch wieder zu sprechen. Alles ging sehr langsam und funktionierte nicht sofort wieder so wie vor seinem Unfall, aber Schritt für Schritt eroberte er sich seine Kräfte zurück. „Jedes Mal wenn Paul herzhaft lacht, ist das für uns wie ein Geschenk“, sagt Pauls Mutti heute. Christian Trautmann ergänzt: „Wenn so etwas passiert, dann verschiebt das den Blick. So viele Dinge sind so unwichtig im Leben!“

Ein Geschenk und Dankeschön an das Team des Klinikums. Foto. Paul Glaser

Jeder in der Rettungskette hat seinen Anteil

Dass es Paul so gut geht und es sich so rasch so positiv entwickelt hat, „war ehrlich gesagt bei der Schwere seiner Verletzungen nicht zu erwarten“, sagt Dr. Peggy Hoche heute. Und daran hat jeder einzelne in der Rettungskette Anteil: die Ersthelfer in der Schwimmhalle, der Notarzt, die Ärzte und Pflegekräfte im Klinikum, die Hubschraubermannschaft und die Kolleg:innen in Dresden. An den schlimmen Sturz vom 3. September
erinnert heute nur noch ein ziemlich cooler Schutzhelm. Den trägt Paul, weil ihm die rechte Schädeldecke noch fehlt. Sie wird demnächst wieder eingesetzt. Ansonsten ist der Grundschüler fit und hatte einen ganz großen Wunsch. Er wollte sich mit seinen Eltern bei den Ärzten und den Pflegekräften für die Lebensrettung bedanken und einmal auf den Hubschrauberlandeplatz hoch gehen.

Das Team ist dankbar und glücklich, dass es Paul so gut geht. Foto: Paul Glaser

Einmal auf den Landeplatz!

Diesen Wunsch konnten ihm jetzt die Ärzte und Pflegekräfte, die Paul im Klinikum operiert und versorgt haben, erfüllen. Gemeinsam sind sie auf den Hubschrauberlandeplatz gegangen – ohne Drama und vor allem ohne Hubschrauber. Der Besuch von Paul und seinen Eltern hat das ganze Team sehr bewegt. Ihn so zu sehen, war für alle wirklich großartig. Sie alle haben
um ihn gebangt und sind nun überglücklich, dass es ihm so gut geht. „Wir sind den Eltern und Paul sehr dankbar, dass sie sich bei uns gemeldet haben und uns über den positiven Verlauf informiert haben“, sagt Oberärztin Dr. Peggy Hoche. Paul findet die ganze Aufregung um ihm ziemlich spannend und er lächelt die ganze Zeit. Dass er „wach“ auf dem Landeplatz war, kann er nun überall erzählen und das kann nicht jeder. (Text: Katja Pietsch)

Klinikum ist Regionales Traumazentrum

  • Versorgung jeglicher Unfälle + Notfälle wie Schlaganfälle, Herzinfarkte…
  • alle notwendigen medizinischen
    Fachbereiche (Kliniken) vor Ort
  • Hubschrauberlandeplattform
  • 2 Schockräume
  • 2 CT, 1 MRT
  • Intensivstation

Klinik für Neurochirurgie

Chefarzt: Dr. med. Marcus Eif
neurochirurgie.klinikum-goerlitz.de
Mail: neurochirurgie@klinikum-goerlitz.de