
Hebamme Regine Werwoll leitete 30 Jahre den Kreißsaal des Klinikums. Nach über 40 Jahren geht sie in den wohl verdienten Ruhestand

Eine Frau wie Regine Werwoll fragt man nicht nach dem Alter – man kommt gar nicht auf die Idee, selbst wenn man mit ihr über ihren Ruhestand spricht. Sie sprüht vor Energie, wirkt jung geblieben, aktiv und freut sich auf die Zeit nach der Arbeit. „Natürlich ist es ein komisches Gefühl, vor allem weil ich so liebe und großartige Kolleginnen hier habe. Da fällt es schwer, zu gehen“, sagt sie. Jedoch ist sie glücklich. „Es geht mir sehr gut und ich bin froh, gesund in Rente gehen zu können. Das kann ja nicht jede von sich sagen.“ Den Staffelstab als Leitende Hebamme im Kreißsaal hat Yvonne Schirmel übernommen.
Bei 1.600 Babys aufgehört zu zählen
Am 1. September 1980 begann Regine Werwoll als Hebamme im Kreißsaal des Städtischen Klinikums Görlitz. Wie vielen Babys sie seither auf die Welt geholfen hat, kann sie leider nicht genau sagen. „Bei ca. 1.600 habe ich aufgehört zu zählen. Es waren also mehrere tausend.“ Und jede Geburt war einzigartig, denn jede werdende Mutter war ja ebenfalls einzigartig. Frau Werwoll hielt es daher immer mit dem Spruch: „Bei der Geburt wird nicht nur das Kind geboren, auch die Mutter und die Familie.“ Damals, in den 80ern wurden pro Jahr ca. 2.000 Babys geboren. „Das stärkste Geburtenjahr in Görlitz war damals eines mit 2.300 Babys“, erinnert sie sich. Andere Zeiten. Heute freuen wir uns über 800.
Geburten sind heute anders als früher
Vieles hat sich in den 40 Dienstjahren von Frau Werwoll verändert. So hat sie drei Umzüge des Kreißsaals im Klinikum miterlebt (1997, 2014 und 2020). Aber auch die Geburten selbst – das Kinderkriegen und die Einstellung dazu – haben sich verändert. Bis weit in die 1970er Jahre wurde das Gebären fast ausschließlich als medizinisches Ereignis angesehen. Ganz anders heute, wo viel Wert auf die Individualität und die Einzigartigkeit der Geburt gelegt wird. Es ist so ziemlich das intimste Erlebnis einer Frau. Oft ist die ganze Lebensplanung auf die Gründung einer Familie ausgerichtet, deshalb ist es werdenden Eltern auch so wichtig, dass sie sich rundum wohl fühlen. Das beginnt schon vor der Geburt.
Akkupunktur, Homöopathie, Aromalampe und Musik
Ärzte und Hebammen begleiten die Frauen deshalb bereits während der Schwangerschaft. Das war bis weit ins 20. Jahrhundert so gar nicht üblich. Da fokussierte sich die Geburtshilfe lediglich auf den unmittelbaren Vorgang der Geburt, um die Überlebenschancen von Müttern und Kindern zu verbessern. Hausgeburten waren die Regel. Der Trend, sein Kind in einer Klinik zu entbinden, kam in Deutschland erst in den 1940er und 1950er Jahren auf und erst seit den 1960er Jahren ist die „normale“ Geburt eine Kassenleistung.

„Heute haben wir so viele Möglichkeiten, die werdenden Mütter bei der Entbindung zu unterstützen. Zum Beispiel mit schmerzlindernder Akkupunktur, Homöopathie, alternativen Gebärhaltungen. Die Geburt ist insgesamt individueller geworden“, sagt Frau Werwoll.
Falsche Vorstellungen von einer Geburt
Zugleich kommen trotz der vielen Informationsmöglichkeiten Schwangere mit falschen Vorstellungen und stellen besondere Ansprüche. „Wir können viel leisten und unterstützen, aber eine Geburt ist und bleibt eine anstrengende und auch schmerzhafte Angelegenheit.“ Schön ist anders. Gerade deswegen sorgen die Hebammen, Ärztinnen und Ärzte im Klinikum dafür, dass die werdenden Eltern sich gut aufgehoben fühlen. „Die drei Kreißsäle sind wunderbar wohnlich gestaltet und eingerichtet mit breiten, ergonomischen, bequemen Entbindungsbetten. Für das Wohlbefinden sorgen Aromalampen und eigene Musik. Ebenso ist für verschiedene Geburtspositionen gesorgt: neben der Badewanne gibt es einen Gebärhocker, eine Sprossenwand, Seil, Matten und Bälle. All dies trägt zu einem großen Teil die Handschrift von Frau Werwoll und ihrem Team. „Ich bin sehr stolz auf unseren Kreißsaal!“ In ihren Kolleginnen und vor allem in ihrem Chef Dr. Torsten Nadler fand Frau Werwoll immer viel Unterstützung für die Umsetzung von neuen Ideen.
Jetzt selbst Oma geworden
Die unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen Hebammen und Ärztinnen und Ärzten im Klinikum schätzt sie sehr. „Ich war Teil eines großartigen Teams, bei dem immer das Wohl der Eltern und Babys im Mittelpunkt stand.“ Jetzt steht sie selbst im Mittelpunkt. „Nun möchte ich gern all das tun, wozu ich in den Jahren immer nach der anstrengenden Arbeit nicht gekommen bin: wandern, Rad fahren, reisen, wenn es wieder geht, lesen… ich habe so viel vor!“ Und so, wie viele Frauen mit ihrer Unterstützung im Kreißsaal zur Mutter geworden sind, hat auch Frau Werwoll vor kurzem einen Schritt in ein neues Leben gemacht: Sie ist vor 12 Wochen zum ersten Mal Oma geworden und freut sich darauf, die Zeit mit ihrem Enkelsohn verbringen zu können.
Wir wünschen ihr dabei alles Gute!
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