
Andrea Schramm leitet seit fünf Jahren die geriatrische Station G2 im Städtischen Klinikum Görlitz. Sie sagt: „Die Pflege hoch betagter Menschen ist mehr als eine Berufung.“ Ein Interview.
Frau Schramm, was glauben Sie braucht man am meisten, wenn man alte Menschen pflegerisch versorgt?
Verständnis. Verständnis dafür, dass alles länger braucht – das Essen, das Waschen, das Verstehen…

Das bedeutet, man braucht mehr Zeit – und das in Zeiten von zunehmendem Dokumentationsaufwand in der Pflege.
Ja, das ist so. Unsere Arbeit mit geriatrischen Patienten ist aufwändig und körperlich sowie mental oft kräftezehrend. Gleichzeitig stärkt es uns, wenn wir sehen, wie wir unsere Patienten wieder etwas mehr motivieren und sogar mobilisieren können. Es sind Erfolgserlebnisse für uns, wenn zum Beispiel ein Patient wieder etwas an Gewicht zugenommen hat oder sogar längere Strecken eigenständig laufen kann.
Sind Sie ein geduldiger Mensch?
In meiner Arbeit mit den Patienten auf jeden Fall. Viele sind dement, das bedeutet, wir müssen viel erklären und viel Gesagtes wiederholen. Da ist Ungeduld fehl am Platz. Auch wenn die Zeit manchmal drückt – die Patienten wissen das nicht und sie können vor allem nichts dafür. Es wäre kontraproduktiv für den Heilungsprozess, würden wir hier ungeduldig sein.
Woran genau leiden denn geriatrische Patienten?
Unsere Patienten leiden meist auf Grund ihres hohen Alters an mehreren Erkrankungen zugleich: fehlende Mobilität, Sturzneigung, Schwindel, Fehl- und Mangelernährung, Wundheilungsstörungen und oft eben an kognitiven Defiziten. Vieles ist auf Grund des Alters auch schon chronisch.
Und wie genau kann ihnen geholfen werden?
Vor allem ganzheitlich, das heißt, die geriatrische Behandlung umfasst körperliche, funktionelle, geistige, psychische und soziale Aspekte. Ziel ist es, die Lebensqualität zu erhöhen und unsere Patienten so mobil zu machen, dass sie wieder in ihr gewohntes Lebensumfeld zurückkehren können.
Wer ist an der Versorgung der geriatrischen Patienten alles beteiligt?
Es ist immer Teamarbeit, bei der alles Hand in Hand geht. Unter ärztlicher Leitung arbeiten Ärzte, Pflegekräfte, Case Manager, Sozialdienst, Psychologischer Dienst, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden für die Sprach- und Schlucktherapien, der ehrenamtliche Besuchsdienst, das Wundmanagement, die Diabetesberatung, die Ernährungsberatung, die Seelsorge und die Orthopädietechnik zusammen.
Es gibt auf Ihrer Station Demenzbeauftragte. Was machen diese Kollegen?
Wir haben im Klinikum auf jeder Station Demenzbeauftragte, denn oft werden ältere Patienten im Krankenhaus wegen einer anderen Erkrankung behandelt und leiden als Nebendiagnose an Demenz. Das ist eine besondere Herausforderung für das gesamte Personal, eben weil die Patienten eine intensivere Betreuung brauchen. Die Demenzbeauftragten sind darin besonders geschult und geben dieses Wissen auch an die anderen Mitarbeiter auf den Stationen weiter.
Können denn nicht die Angehörigen helfen?
Sofern unsere Patienten noch Angehörige haben, die auch hier leben, schon. Oftmals sind aber auch die Kinder oder Ehepartner mit der Situation überfordert und brauchen selbst Hilfe. Es ist schwierig, damit zurechtzukommen, dass ihre Lieben so vieles vergessen und einfachste Alltagshandlungen nicht mehr durchführen können.
Hat sich Ihre Sicht auf das Leben durch die Arbeit mit dementen und hochbetagten Menschen verändert?
Ja, ich denke schon. Ich glaube, dass es auch vielen meiner Kollegen so geht, dass sie insgesamt achtsamer mit sich und ihrer Gesundheitsvorsorge geworden sind. Man kann das Alter nicht aufhalten, aber man kann eine Menge tun, um lange geistig und körperlich fit zu bleiben.

Nun ist die Geriatrie im Klinikum Görlitz wieder zertifiziert worden. Was genau bedeutet das eigentlich?
Es gibt Kriterien und Regeln, die für die medizinische und pflegerische Behandlung von geriatrischen Patienten deutschlandweit gültig sind. Bei der Zertifizierung überprüft ein externer Fachmann, ob wir diese Regeln einhalten und erfüllen. Das tun wir. Jährlich gibt es die Prüfungen, aller drei Jahre findet die große Rezertifizierung statt. Es wird jedes Mal etwas schwieriger, weil die Anforderungen steigen. Das Team leistet ganz tolle Arbeit, ich möchte dieses Lob als Stationsleitung an dieser Stelle gern auch einmal aussprechen, zumal ich selbst in diesem Jahr nicht bei der Zertifizierung dabei war.
Weitere Informationen: Geriatriezentrum erneut zertifiziert