
Sie hat sich als kleines Mädchen einen Kirschkern und Zellstoff ins rechte Ohr gestopft… Das sollte sich auf das ganze Leben von Carmen Heine auswirken.
Die heute 59-Jährige erzählt ihre Geschichte mit einem Lächeln. Sie macht nicht den Eindruck, als blickt sie auf unglückliche Jahre zurück: Sie hat drei Kinder, zwei Enkel und sogar schon zwei Urenkel. Sie mag Musik und die Natur. Sie unterhält sich gern und hat auch viel zu erzählen. Nichts weist darauf hin, dass sie auf dem rechten Ohr hochgradig und auf dem linken mittelgradig schwerhörig ist. Unsere Unterhaltung erfolgt in ganz normaler Laustärke und ohne Unterbrechungen – bis auf den Moment, als sie ihr kleines Hörgerät hinterm Ohr „abknipst“, um es mir zu zeigen. Es ist mit einem Druckknopf im Knochen hinter dem Ohr von Frau Heine befestigt.
„Nachdem ich mir als Kind diesen Unrat ins Ohr stopfte, erfolgte eine Radikal-OP, das Trommelfell blieb offen. Ich verlor das Gehör. Ich durfte kein Wasser im Ohr haben – d.h., zum Haare waschen wurde mein Ohr in mit Öl getränkter Watte verschlossen und auch am Schwimmunterricht damals durfte ich nicht teilnehmen. Ich litt ich jahrelang an einer chronischen Knochenvereiterung, hatte Gleichgewichtsstörungen, Probleme mit der Orientierung und der Motorik“, erzählt sie. Ein Hörgerät trug sie als Kind nicht – sie hatte ja noch das andere Ohr. Das war bis 2002 gesund. „Ich konnte sogar Sport machen, führte bis auf die wenigen Einschränkungen doch ein relativ normales Leben.“ Im Jahr 2002 begann es, dass sie links ein Geräusch hörte, „das da nicht hingehörte“. Es fühlte sich an, als wäre ein Fremdkörper im Innenohr. Sensibilisiert durch ihre Vorgeschichte war ihr klar, da stimmte etwas nicht.
Der gutartige Tumor, den die Ärzte entdeckten, musste operativ entfernt werden. „Ich erwachte aus der Narkose und war zunächst komplett taub. Das Gehör kam nur zum Teil wieder, aber als wäre das alles nicht genug kam zuerst auch noch ein Tinnitus.“ Einige Monate später erfolgte eine Nachoperation auf dem rechten Ohr. Die vorhandene „OP-Höhle wurde „begradigt“, das Trommelfell geschlossen und ein kleines Implantat ergänzte nun die unterbrochenen Gehörknöchelchen. „Das Implantat gab mir große Hoffnung auf Gehörverbesserung. Aber diese blieb leider aus.“
Gemeinsam mit Hörgeräte-Akustikern probierte Carmen Heine eine Reihe von Hörgeräten aus, keines jedoch funktionierte für sie so gut, dass sie es kontinuierlich und glücklich tragen konnte. „Ein hinter dem Ohr getragenes Hörgerät verschließt den Gehörgang luftdicht. Die Folge waren sehr häufige Vereiterungen.“ Geräte, die von der Krankenkasse finanziert werden, machten bei Frau Heine eine Anpassung an ihr Resthörvermögen kaum möglich.
Die meisten Hörgeräte filtern die Geräusche nicht, alles klingt blechern und unnatürlich. „Man hört alles – der Kühlschrank summt, die Heizung summt. Ein Mensch mit gesundem Gehör filtert diese Geräusche und „überhört“ das Summen und Brummen. Mit dem Hörgerät geht das nicht, weil das Geräusch ja technisch ins Gehirn gelangt. „Das Hören mit einem Hörgerät muss man lernen.“ Im Frühjahr 2017 dann erfuhr sie in der Klinik von der Möglichkeit, ein so genanntes „knochenverankertes“ Hörgerät zu tragen, das im Kopfknochen implantiert wird. „Das klang schon gruselig“, sagt Frau Heine. Deshalb informierte sie sich zu dem Thema sehr umfangreich. Sie konnte das Gerät mit einem Stirnband zunächst testen und hätte es am liebsten gleich behalten. „Ich war vom ersten Moment an begeistert, denn es klingt alles natürlich und nicht blechern.“ Ende September 2017 erfolgte die Operation, bei der eine kleine Titanschraube, auf der das Hörgerät befestigt wird, implantiert wurde. „Das ganze funktioniert dann wie ein Druckknopf. Zum Schlafen nehme ich es ab.“ Die OP verlief gut und sie erzählt, dass sie nach wenigen Stunden wieder fit war und keine Schmerzen hatte.“ Das Implantat musste dann erst einmal einheilen, bis das Hörgerät draufgesteckt werden konnte. Mit Begeisterung erklärt Frau Heine, welche vielen Funktionen ihr Hörgerät besitzt – zum Musik hören, für Gespräche, es kann sogar als Freisprechanlange fürs Telefonieren genutzt werden. Die Höhen und Tiefen werden eingestellt, es gibt eine Fernbedienung und sie kann es sogar mit einem MP3 Player koppeln und Musik hören, ohne die Nachbarn zu stören.
Dass sie glücklich ist, sieht man ihr an. „Ich bin dankbar – den Ärzten in der HNO-Klinik, speziell Dr. Geide und dem Hörgeräte-Akustiker, Herrn Steudler.“ Das Hören gibt ihr ihre Lebensqualität zurück und das Erkunden der vielen Zusatzfunktionen macht Carmen Heine richtig viel Spaß. „Es gibt sogar eine App, mit der ich das Hören anpassen kann….!“
Am 14.3.2018 wird Frau Heine ihre Geschichte niedergelassenen HNO-Ärzten, Klinikärzten und Hörgeräte-Akustikern erzählen und über ihre Erfahrungen mit dem Gerät berichten. An diesem Tag findet eine Fachveranstaltung zu dem Thema „knochenverankerte Hörgeräte“ im Klinikum statt. Die Experten wollen gemeinsam die Versorgung der Patienten verbessern und bringen sich gegenseitig auf den aktuellen Stand in Diagnostik und Therapie.