
Kennen Sie das, wenn sich Kolleg:innen verabschieden und Sie zweimal nachfragen müssen, wie lange sie im Unternehmen gearbeitet haben?
So ging es mir bei Jutta Mey. Und damit Sie nicht denken, Sie hätten sich verlesen, schreibe ich die Zahl einfach aus: ACHTUNDVIERZIG Jahre!

Nach 48 Jahren wurde Schwester Jutta Ende April in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Aufgrund von Corona etwas leiser und unaufgeregter, als das nach einem so beeindruckenden Berufsleben eigentlich angebracht wäre. Trotzdem haben sich die Kolleg:innen eine kleine Verabschiedung nicht nehmen lassen.
48 Jahre hat Schwester Jutta im Klinikum gearbeitet. Das beinhaltet auch ihre Ausbildung zur Krankenschwester, die sie 1972 hier begonnen hat. Damals wurde mit dem Haus H gerade die modernste Kinderklinik der DDR in Betrieb genommen. Die ist inzwischen Geschichte und wird gerade durch das Frauen-Mutter-Kindzentrum abgelöst.
Kontinuierliche Arbeit und weitere Qualifikationen brachten Jutta schließlich in die berufliche Position, aus der sie sich nun aus dem Klinikum verabschiedet. Zuletzt war sie viele Jahre pflegerische Leiterin im Zentral-OP mit sieben Sälen und rund 40 Mitarbeitern.
Heute, am Tag ihres Abschieds, steht Jutta fast ein wenig verloren in einem liebevoll hergerichteten OP-Saal. Ein kleines Pult. Der Stempel für den OP-Tisch ist abgedeckt. Auf einem Monitor läuft eine Bilderserie mit Aufnahmen von ihr. Normalerweise werden hier Operationen dokumentiert. Selten herrscht so eine Geräuschkulisse. Normalerweise rauscht die Lüftung, es piepen medizinische Geräte und blinken Monitore. Selten sind hier mehr als sechs Personen, wie sonst während einer Operation. Heute sind es ein paar mehr, alle in OP-Kleidung und mit Abstand. Sie sind gekommen, um sich zu verabschieden.

Dr. Marco Krahl ist inzwischen langjähriger Chefarzt in unserer Chirurgie. „Als ich 1989 angefangen habe, als junger Arzt zu operieren, war Schwester Jutta schon eine gestandene OP-Schwester. Sie war damals wie eine Fahrlehrerin für mich und hat mich ruhig und souverän durch die Operationen begleitet. Das hat ungemein geholfen“, erzählt Dr. Krahl. „Überhaupt ziehe ich meinen Hut vor dem OP-Personal und vor Jutta ganz besonders. Sie haben es nicht immer leicht mit uns Ärzten.“

Jutta wirkt gefasst. Ihre Augen blitzen ab und zu, während die Pflegedirektorin, der Medizinische Direktor und Dr. Krahl ihre Grußworte sprechen. In diesen Momenten merkt man, wie nahe ihr dieser Tag und diese Aufmerksamkeit gehen. „Innerlich geht es mir mal so mal so. Ich hatte ausreichend Zeit, mich auf den Abschied vorzubereiten“, sagt sie. Die Laudatoren würdigen Juttas langjährige Arbeit. Auch sie können sich den Zentral-OP ohne Schwester Jutta nicht vorstellen. Zum Ende der Ansprachen gibt es langen Applaus. Dann verabschieden sich nach und nach die Kolleg:innen persönlich. Unter ihnen Chefärzte, Ärzte, Kranken- und OP-Schwestern und Pfleger. Manche mit Blumen oder kleinen Aufmerksamkeiten, einige mit Tränen in den Augen.
Aufmerksamkeit bekommt ab Anfang Mai die große Bücherlieferung, die Jutta einen Tag vor ihrem Ruhestand bekommen hat. „Ich werde ausschlafen und ganz viel lesen“, sagt sie schmunzelnd. Auf meine Frage nach ihrem Berufsleben antwortet sie ohne zu zögern: „Ich würde es wieder so machen!“
Um die Organisation des Zentral-OPs macht sie sich keine Sorgen. „Sie ist bei Schwester Judith in sehr guten Händen. Die Zeit und vor allem die Einarbeitung mit ihr habe ich sehr genossen. So wie die Zusammenarbeit mit allen Kolleg:innen über die lange Zeit meines Berufslebens!“, schaut sie zufrieden voraus und zurück.
Schwester Judith Fritsche tritt ab Mai die Nachfolge von Jutta an. „Natürlich bin ich aufgeregt! Jutta hinterlässt riesige Fußstapfen und wir werden alle eine Zeit brauchen, uns an die Arbeit ohne sie zu gewöhnen. Ich bin ihr vor allem sehr, sehr dankbar für die gemeinsame Zeit und die intensive Einarbeitung“, sagt Judith.

Zum Abschluss der kleinen Feier übergibt Jutta einen symbolischen Staffelstab an Judith. Er besteht passend aus weißem, blauem und rotem Verbandsmaterial.