Das Treffen mit Susanne ergibt sich ganz kurzfristig. Sie hat auch nicht viel Zeit, denn der Taxifahrer, der sie nach ihrer Bestrahlung wieder nach Hause fährt, wartet schon. Wir haben uns in Haus E auf dem Gelände des Klinikums verabredet. Hier steht im Untergeschoss der Linearbeschleuniger. Das ist ein komisches Wort für ein ziemlich teures, modernes, medizinisches Gerät, mit dem Tumorerkrankungen behandelt werden.
Susanne lag da gerade drin. Sie wird zurzeit 5 Mal in der Woche bestrahlt.
Jetzt sitzt sie auf einem der Stühle auf dem Gang. Ihre Tasche und einen Beutel mit einem Handtuch hat sie neben sich gestellt. Dass sie gerade eine Bestrahlung hinter sich hat, ist ihr nicht anzusehen. Und überhaupt, sie sieht gar nicht krank aus. Was hatte ich erwartet? Ich bin froh, als sie mich lächelnd und offen begrüßt. Meine Bedenken sind verschwunden und wir kommen schnell ins Gespräch.
Susanne hat Brustkrebs – „hatte“ sagt sie, „der ist doch jetzt raus!“ Nach ihrer Operation im Mammazentrum benötigt sie nun noch eine Bestrahlungstherapie mit mehreren Sitzungen. „Um die Chemo bin ich gottseidank gerade noch so drum rum gekommen“, sagt sie. Die Bestrahlung steckt sie offenbar gut weg. Sie wirkt fröhlich, aktiv und optimistisch. „Ach, wissen Sie, ich fühle mich ja gar nicht krank. Das macht es vielleicht auch etwas einfacher.“
Susanne erzählt mir, dass sie im Sommer ihren 50. Geburtstag mit einer Megaparty gefeiert hat. „So wie ich mir das immer gewünscht habe. 1.000 Tage habe ich dafür gespart. Jeden Tag einen Euro“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Kurze Zeit später merkt sie eine Auffälligkeit in der linken Brust. „Innerhalb von 4 Stunden war ich beim Frauenarzt, dann bei der Mammografie und dann wieder beim Frauenarzt und bekam die erste Diagnose.“ Nur ihrem Mann erzählt sie zu diesem Zeitpunkt davon. Der schnappt sie sich und gemeinsam machen sie eine lange Fahrradtour, um den Kopf etwas frei zu bekommen. „Eine Woche darauf folgte die Biopsie und schon wieder eine Woche später stand der Therapieplan.“ Erst da weihte Susanne ihre Kinder und weitere Vertraute ein. „Es meiner Familie und meinen Freunden zu sagen, war für mich eigentlich das Schlimmste.“ Doch sie durfte vor der Operation noch in den lang geplanten Urlaub fahren. Diese Auszeit in der Ferne und die gute Organisation im Mammazentrum des Klinikums ließen ihr kaum Zeit, sich großartig Gedanken zu machen, sagt sie.
„Am Montag, dem Tag der Operation, saß ich in meinem Zimmer und es kam eine Frau herein, die mir ein Herzkissen schenkte.“
Susanne erzählt, wie sie sich über das Geschenk und die Geste freute und wie ihr da der Gedanke kam, selbst einmal wieder ihre Nähmaschine anzuwerfen. Sie nähte ein Herzkissen und schenkte es ihrer Case Managerin (Das ist die Mitarbeiterin im Klinikum, die ihren Aufenthalt von Aufnahme bis Entlassung koordinierte).
Das Nähen hat ihr Spaß gemacht und sie gleichzeitig etwas abgelenkt. „In der Zeit auf der Station habe ich erfahren, dass auch jüngere Frauen und Mütter im Mammazentrum behandelt werden. Ich war in dem Moment sehr froh, dass meine Kinder schon größer sind und mit meiner Erkrankung vielleicht etwas anders umgehen können.“ Susanne setzte sich wieder an die Nähmaschine. Diesmal nähte sie aus einem Stoff mit wunderbaren Elefantenmotiven kleine Elefantenkissen. „Ich möchte, dass diese den Kindern von Betroffenen geschenkt werden und so vielleicht ein Fünkchen Trost und Freude geben.“
Als Susanne das so berichtet, bekomme ich Gänsehaut. Mir fällt sofort das Lied „Elefant für Dich“ von „Wir sind Helden ein“.
15 Kissen hat Susanne dem Mammazentrum schon geschenkt, weitere sind in Arbeit. Ich weiß, dass das Team des Mammazentrums, ganz besonders die Pflegekräfte, die Koordinatorin, die Therapeuten – alle, die die erkrankten Frauen ständig begleiten, sehr gerührt von dieser liebevollen und aufmerksamen Geste von Susanne sind. „Klar mache ich weiter“, sagt sie und zeigt mir Fotos auf ihrem Handy. Die zeigen die Elefanten aneinandergereiht auf dem Fensterbrett und dem Fußboden in ihrem Zuhause. So süß, wie die Kissen aussehen, können sie sicher für ein bisschen Freude sorgen. Und das Elefantenmotiv ist stark gewählt.
„Natürlich will man nicht krank sein“, sagt Susanne. „Aber hier im Mammazentrum habe ich mich von Anfang an gut aufgehoben gefühlt. Die Organisation, die Aufklärung über alles, was gemacht werden kann und was nicht…die Ärzte, die Schwestern… Selbst wenn ich mal nicht ganz so gut drauf bin, dann werde ich aufgemuntert und alles ist irgendwie gut.“
Wir könnten noch eine Weile weiterreden, aber Susanne muss los, der Taxifahrer wartet. Als wir das Haus E verlassen, begegnen wir einer Frau. Sie fragt uns, wie sie ins Haus R kommt – das Gebäude, in dem das Mammazentrum ist. Susanne lächelt und sagt: „Kommen Sie, ich nehme Sie ein Stück mit!“
PS: Mehr zu unserem Mammazentrum erfahren Sie hier: Zertifiziertes Mammazentrum Ostsachsen am Städtischen Klinikum Görlitz