No-Bra-Day – Brustkrebsmonat Oktober

Ein persönlicher Kommentar (von Manuela Böttcher, Koordinatorin des Mammazentrum Ostsachsen am Städtischen Klinikum Görlitz).

Manuela Böttcher, Koordinatorin des Mammazentrums Ostsachsen. Foto: Paul Glaser

In meinem Beruf begegne ich jeden Tag den unterschiedlichsten Frauen: Müttern, Großmüttern, Töchtern, Ehefrauen, Alleinerziehenden, Witwen, Chefinnen, Angestellten, Sportlerinnen, Kolleginnen, Freundinnen… Hier im Mammazentrum am Klinikum begleite ich sie, weil sie an Brustkrebs erkrankt sind. An ihrer Seite erlebe ich wegen und trotz der Erkrankung ihre bemerkenswerte Stärke und oft auch die ihrer Angehörigen. Ich darf auch erfahren, wie die Frauen ihr Leben während der Therapiezeit meistern oder auch danach ganz neu beginnen.

Eine Brustkrebsbehandlung geht meist mit einer Operation einher. Je nach Größe und Typ des Tumors muss Gewebe entfernt werden, manchmal sogar die vollständige Brustdrüse oder sogar die gesamte Brust. Egal wie – es ist ein Eingriff, der Leben retten kann, aber auch das Leben immens beeinflusst.

Und während die einen stolz und voller Überzeugung ihre Brüste ohne BH unter Shirt oder Bluse als Symbol ihrer Weiblichkeit präsentieren (no-bra-day, eine internationale Initiative zur Bewusstseinsförderung für Brustkrebs), steht für andere die Überlegung im Raum, wie die Brustsilhouette trotz Brustkrebserkrankung und einer erforderlichen operativen Therapie erhalten oder auch wieder hergestellt werden kann. Zur Unterstützung dafür wurde der BRA-Day ins Leben gerufen (Tag zur Aufklärung über Brustrekonstruktion).

Quelle: Internationale Vereinigung ästhetisch-plastischer Chirurgen)

Die Amputation der Brust (Ablatio mammae oder radikale Mastektomie) als Standard-OP wurde bereits vor vielen Jahren abgelöst von Operationstechniken, die nur den tumortragenden Anteil der Brustdrüse entfernen, sogenannte brusterhaltende Therapie (BET), an die sich eine Bestrahlung anschließt. Je nach Verhältnis von Tumorgröße, Tumorsitz, Brustform- und -volumen entstehen kaum mehr äußerlich erkennbare Differenzen zur gesunden Brust. Und wenn doch, können diese durch spezielle Pads (Teilepithesen) im BH ausgeglichen werden.

Die Sanitätshäuser können hierfür eine Vielzahl von Modellen an Epithesen-BHs mit Taschen für die Ausgleichskissen in ganz individuellen Größen und Formen anbieten. Und diese BHs sind kaum noch von denen im Dessousgeschäft zu unterscheiden, können beispielsweise ebenso farbig oder mit Elementen aus Spitze sein.

Manchmal ist aber zu erwägen, die vollständige Brustdrüse zu entfernen, z. B. weil der Tumor sehr groß ist, sich mehrere Tumore in der Brust  befinden oder Gewebe mit bösartigen Zellen in der Umgebung eines Tumorknotens (sog. Tumorvorstufen = Präcancerosen) vorhanden sind. Wenn die Haut nicht mit betroffen ist, kann also der Hautmantel der Brust erhalten werden (modifizierte Mastektomie), je Befund mit oder ohne Belassen der Brustwarze. Sodann braucht es Ersatzgewebe. Dies können Brustimplantate sein oder körpereigenes Gewebe, z. B. Haut-Fett-Gewebe vom Oberschenkel, Po oder Bauch.

Natürlich gehört zur Entscheidungsfreiheit auch, für sich selbst festzulegen, weder einen Brusterhalt noch eine Rekonstruktion haben zu wollen. Viele Frauen kommen sehr gut auch ohne eine oder beide Brüste klar. Deshalb werden sie auch manchmal Amazonen genannt. Sehr treffend wie ich finde. Doch stark sind für mich alle Frauen, völlig egal, welche Behandlungsschritte durchgeführt werden (müssen). Und die größte Kraft beansprucht meiner Meinung nach die Annahme der Erkrankungssituation selbst.

Entsprechend der Behandlungsleitlinie für Mammakarzinom ist „die vollständige Tumorentfernung mit Sicherheitsabstand“ das „Ziel der operativen Therapie“. Unter dieser Maßgabe können also die Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihres Behandlungsspektrums den erkrankten Frauen operative Verfahren anbieten.

Die Leitlinie sieht hierfür inzwischen vor, dass neben der umfassenden Aufklärung auch der Kontakt zu Selbsthilfegruppen angeboten werden soll, damit ein ganz persönlicher Austausch von Erfahrungen möglich ist. Jede Patientin kann sich auch eine Zweitmeinung einholen und/oder im Internet, in Aufklärungsbroschüren oder Patientenforen zusätzlich informieren.  Eine Rekonstruktion kann sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die onkologische Therapie, also das Entfernen des Tumorgewebes, sollte trotz aller Gedanken über Erhalt der Körperform, immer an erster Stelle stehen.

Um eine Entscheidung treffen zu können, benötigt die Patientin eine ausführliche und vor allem verständliche, ganz individuelle Aufklärung über die Sinnhaftigkeit diverser OP-Techniken (wie auch der weiteren therapeutischen Maßnahmen, z. B. Chemotherapie, Bestrahlung, antihormonelle Therapie) im Kontext ihrer ganz eigenen Brustkrebserkrankung – unter Berücksichtigung von Tumorbiologie, Tumorgröße, Lokalisation, Brustvolumen, Vorerkrankungen, körperlicher Konstitution und Lebensumstände.  

Idealerweise besteht ein enger Kontakt zwischen allen an der Behandlung beteiligten Fachvertretern vor Ort oder auch Kooperationen zwischen regional verfügbaren Kliniken. 

Das wichtigste ist das Vertrauen zwischen Patientin und Klinik. Das beinhaltet auch eine offene Kommunikation durch die Ärztinnen und Ärzte über mögliche Komplikationen und unerwünschte Reaktionen, als auch ein Netzwerk für die begleitende Betreuung. Gemeint sind empathische Pflegekräfte und spezialisiertes Personal, wie Brustschwestern und Onkologische Fachpflegekräfte, Physio- und Ergotherapeuten sowie auch Sozialdienstmitarbeiter und Psychoonkologen. Manchen Frauen hilft es auch, eine nicht an der Behandlung direkt beteiligte Person mit einzubeziehen, die sie z. B. zu den Gesprächen begleitet.

Ebenso bedeutsam wie die fachliche Expertise des Behandlungsteams ist die Zuversicht der Patientin selbst, sich auf einem vertrauensvollen, gemeinsamen Behandlungsweg mit dem Ziel: Genesung, zu befinden.   

Dazu dürfen wir seit 2004 als zertifiziertes Mammazentrum Ostsachsen am Städtischen Klinikum Görlitz beitragen. Und ich bin stolz darauf, von Beginn an ein Teil des interdisziplinären Teams zu sein und meinen Beitrag als Koordinatorin leisten zu dürfen.

Die Brüste waren, sind und bleiben eines der äußeren Merkmale von Frauen (ganz offiziell: „sekundäres Geschlechtsmerkmal“ (Augenroll). Ja, sie sind „nur“ äußere Körperorgane und für den Lebenserhalt entbehrlich, sogar inzwischen – durch technischen Fortschritt und Industrialisierung – als die ursprünglichste aller Nahrungsquellen.

Doch von je her haben unsere Brüste einen ganz persönlichen Identifikationsstatus. Deshalb sollte m. E. auch jede betroffene Frau in Ruhe und für sich ganz persönlich entscheiden, ob sie mit einer amputierten Brust oder einer rekonstruierten Brustsilhouette leben möchte, wenn eine brusterhaltende Therapie nicht möglich ist. Denn jede Frau ist wie sie ist eine Göttin.

Kontakt:

Manuela Böttcher, 03581 37-3203, mammazentrum@klinikum-goerlitz.de