Babys kommen wann sie wollen. Es ist kaum möglich, in einem Kreißsaal etwas zu planen und wenn, kann es immer sein, dass eine Geburt „dazwischen kommt“. Dann ist es wichtig, dass die Abläufe stimmen. Die werdenden Eltern, die Hebammen und die Ärzte arbeiten gemeinsam und helfen dem Baby auf die Welt. Bei etwa 70 Geburten im Monat greifen die Hebammen und Ärzte unseres Klinikums auf viel Erfahrung und eine beruhigende Routine zurück.
Doch was geschieht, wenn diese Routine durch einen Notfall unterbrochen wird? Was, wenn Situationen eintreten, die nicht alltäglich sind? Wenn zum Beispiel eine Kollegin während einer Dienstbesprechung einen Herzstillstand erleidet? Wenn die Herztöne des Babys im Mutterleib plötzlich nicht mehr zu hören sind? Wenn die Schwangere ohnmächtig wird?
In einem aufwändigen Simulationstraining trainierten Hebammen und Ärzte im Kreißsaal verschiedene Notfallsituationen. „Ich bin immer noch total begeistert“, sagt Regine Werwoll rückblickend. Die leitende Hebamme ist seit 40 Jahren im Dienst, nimmt jährlich an den Pflicht-Reanimationsschulungen teil, doch solch ein umfassendes Training vor Ort im Kreißsaal mit allen Berufsgruppen und einer professionellen technischen Ausstattung hat sie noch nicht erlebt. „Im Notfall werden alle gebraucht“, sagt Dr. Torsten Nadler, Chefarzt der Frauenklinik, auf dessen Initiative dieses Notfalltraining stattgefunden hat. Und so übten Hebammen, Pflegekräfte, OP-Pflegepersonal, Ärzten aus der Frauenklinik, Kinderklinik und der Anästhesie zusammen.
Durchgeführt hat das Training der Leiter der Notaufnahme, Dr. Mark Frank. Er erhielt professionelle Unterstützung von Markus Wrase, dem Chef einer privaten Ausbildungseinrichtung für Notfallmedizin in Berlin, der auch das Equipment zur Verfügung stellte.
Größere und kleinere Teams trainierten verschiedene Situationen. Diese wurden auf Video aufgenommen und direkt im Anschluss gemeinsam ausgewertet. „Dafür ist es sehr wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen sich nicht scheuen, auch Fehler zu machen. Das ist im Gegenteil sogar sehr wichtig, um daraus zu lernen“, sagt Dr. Mark Frank. Um die Lerneffekte zu stabilisieren, wurden die gleichen Situationen nach der Auswertung im Anschluss wiederholt.
Die Stimmung im Team war beeindruckend. In den Situationen war kaum zu spüren, dass an Puppen trainiert wurde. Zum einen konnten diese Puppen Vitalfunktionen wie Atmen und Puls simulieren, zum anderen nahmen die Teilnehmer das Training so ernst, als wären es echte Notfälle. Besonders deutlich wurde das bei der Simulation eines Not-Kaiserschnittes. Bei einem solchen Notfall schweben Mutter und/oder Kind in Lebensgefahr und nur eine schnellstmögliche Kaiserschnittentbindung kann sie retten. Hier geht es um jede Minute. Jeder Handgriff, jedes Telefonat, jede Aktion kostet Zeit und es ist viel zu tun. Die schwangere Frau muss schnellstmöglich auf den OP-Tisch. Anästhesisten müssen für die Narkose gerufen werden, OP-Pflegekräfte müssen kommen, das OP-Instrumentarium wird benötigt, auch die Kinderärzte werden schon gerufen und und und…
Sobald die Narkose wirkt, kann der Operateur in den Bauch schneiden. Jeder Handgriff muss sitzen, die Kommunikation und Abstimmung im Team ist dabei entscheidend. Alle – vom Arzt bis zur Schwester – müssen sich aufeinander verlassen können und stehen dabei doch enorm unter Stress. „Stressreaktionen können das Kommunikationsverhalten verändern“, sagt Dr. Frank. Dass kann durch solche Trainings bewusst gemacht und verbessert werden.
Regine Werwoll und ihre Kolleginnen empfanden das auch so. „Wir haben gelernt, wie wichtig klare Ansagen sind.“ Die Teamarbeit beeindruckte alle. Jeder hat bei einem Notfall seine Aufgabe zu erfüllen, unabhängig von Beruf, Stellung oder persönlichen Befindlichkeiten. Hier zählt nur eins: Leben retten. „Und dass es wichtiger ist, überhaupt etwas zu tun, als nichts zu tun“, sagt Frau Werwoll. Einig waren sich die Teilnehmer auch, dass sie ein großes Stück Sicherheit durch die praktischen Übungen gewonnen haben.
„Dieses Notfalltraining meisterten alle hervorragend – denn sie sind mit großer Motivation und einer guten Einstellung an die Sache herangegangen“, sagt Dr. Mark Frank. Kritikpunkte wurden angesprochen und diskutiert und es gab auch viel Lob.
Was alle Teilnehmer auch mit aus dem Training nahmen war ein Ohrwurm: Stayin‘ Alive von den BeeGees, denn dieser Song kann Leben retten. Wenn man bei einer Herzdruckmassage im Rhythmus dieses Liedes in den Brustkorb drückt, dann hat man die ideale Frequenz. Wem das Lied nicht einfällt kann auch auf Helene Fischers „Atemlos“, Lady Gagas „Bad Romance“ oder Karel Gotts „Biene-Maya-Titelsong“ zurückgreifen.