
Chefarzt Dr. med. Marco Krahl im Interview zur neuen medizinischen Leitlinie zur Schaufensterkrankheit

Es gibt eine neue medizinische Leitlinie zur Behandlung von Gefäßerkrankungen der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG). Was besagt diese?
Dr. Krahl: Diese neue Leitlinie ist sehr wichtig. Sie hebt besonders die ganzheitliche Therapie hervor, da pAVK-Patienten häufig von weiteren Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht betroffen sind. pAVK, also die periphere arterielle Verschlusskrankheit, wird auch „Schaufensterkrankheit“ genannt, weil Betroffene oft anhalten, als würden sie vor Schaufenstern stehen, um ihre Schmerzen zu verbergen. Die Beschwerden entstehen durch Verkalkungen in den Beinarterien, die das Blut nicht mehr ungehindert fließen lassen. Diese Patienten tragen ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Die Leitlinie betont, dass wir diese Erkrankungen nicht isoliert betrachten können, sondern den gesamten Patienten in den Fokus rücken müssen. Außerdem gibt es erstmals konkrete und detaillierte Empfehlungen für das Gefäßtraining, das eine zentrale Rolle in der Prävention spielt.

Warum ist Bewegung so wichtig bei Gefäßerkrankungen?
Dr. Krahl: Bewegung ist tatsächlich eine Art „Medizin“ für die Blutgefäße. Wenn wir uns regelmäßig bewegen, verbessern wir die Durchblutung und das kann das Risiko von Amputationen deutlich senken. Die Leitlinie enthält klare Empfehlungen zur Art und Dauer des Trainings. Leider gibt es in Deutschland noch nicht genug spezielle Bewegungsgruppen für Gefäßpatienten, obwohl wir wissen, dass das Training sehr wirksam ist.
Was bedeutet das für die Patienten hier im Klinikum Görlitz?
Dr. Krahl: In unserer Klinik setzen wir vieles von dem, was die neue Leitlinie empfiehlt, schon um. Wir arbeiten eng mit anderen Fachleuten zusammen, um sicherzustellen, dass unsere Patienten umfassend versorgt werden. Unsere Patienten werden nicht nur chirurgisch versorgt, sondern erhalten auch umfassende Betreuung durch Diabetologen, Kardiologen und Ernährungsberater. So stellen wir sicher, dass alle relevanten Risikofaktoren gleichzeitig angegangen werden.
Welche Angebote im Bereich der Gefäßchirurgie gibt es bei Ihnen für Patienten mit pAVK?
Dr. Krahl: In unserer Klinik können wir pAVK sehr gut diagnostizieren. Mit klinischen Untersuchungen, Ultraschall, CT und MRT stellen wir fest, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist. Zur Behandlung haben wir verschiedene Möglichkeiten: In vielen Fällen können wir die Gefäße mit schonenden Verfahren weiten, zum Beispiel mit einem Ballon oder einem Stent, der das Gefäß offenhält. Diese Eingriffe erfolgen minimalinvasiv über Katheter und oft ist nur eine örtliche Betäubung nötig. Wenn die Engstellen stärker ausgeprägt sind, führen wir auch größere Eingriffe durch, bei denen wir die Gefäße freilegen und die Verengungen entfernen. Falls nötig, legen wir sogar künstliche Blutgefäße, sogenannte Bypässe, um die Durchblutung wiederherzustellen. All diese Verfahren setzen wir routiniert und mit viel Erfahrung ein.
Was können die Bürger selbst tun, um Gefäßerkrankungen vorzubeugen?
Dr. Krahl: Jeder kann viel tun, um seine Blutgefäße gesund zu halten. Regelmäßige Bewegung – das muss gar kein Leistungssport sein, schon tägliches Spazierengehen hilft – ist besonders wichtig. Außerdem sollte man auf eine gesunde Ernährung achten, nicht rauchen und Risikofaktoren wie hohen Blutdruck oder Diabetes im Auge behalten. Es ist nie zu früh oder zu spät, mit einem gesunden Lebensstil anzufangen. Die neue Leitlinie unterstreicht, wie wichtig es ist, aktiv zu bleiben – das kann langfristig viel bewirken.