Cornelia Seidel ist ein bekanntes Gesicht im Görlitzer Klinikum. Seit mehr als 30 Jahren arbeitet sie hier. Als Leiterin des Hygienemanagements ist sie in allen Kliniken und Bereichen unterwegs. Sie stimmt sich eng mit dem Gesundheitsamt und dem Chefhygieniker der Dresdener Uniklinik ab.
Influenza, Noroviren, Corona, MRSA – Conny Seidel ist – uneingeschränkt unterstützt von der Geschäftsleitung – die Ansprechpartnerin Nummer eins, wenn es um Viren und Bakterien im Krankenhaus geht. In dieser Position braucht es neben fachlicher Kompetenz auch Stärke und Durchsetzungsvermögen. Das bringt sie mit. Sie ist zuverlässig, verbindlich und strukturiert.
Im März 2020 diagnostizierten Ärzte des Klinikums Brustkrebs bei ihr.
„Das hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen. Schon aus Angst davor, was da alles auf mich zukommt. Wenn man selbst medizinisches Personal ist, ist man ja viel näher dran und kennt die ganze Palette an Behandlungsmethoden.“
Ein Brief veränderte alles
„Man realisiert das nicht. Ich hatte so viel zu tun. Es war die Zeit, in der Corona begann. Im Klinikum fand eine Krisensitzung nach der anderen statt. Es gab große Einsatzbesprechungen mit dem Landkreis, Gesundheitsamt und anderen Krankenhäusern. Die Verunsicherung bei allen war groß. Es ging um Zahlen, Ausbreitung, Schutzkleidung, Hygienemaßnahmen, Besucherregelungen, Patientenversorgung, Intensivbetten. Ich war so eingespannt, ich hatte überhaupt gar keine Zeit, krank zu sein.“
Doch ein Brief riss sie aus dieser Arbeitsroutine heraus. „Ich hatte Anfang März an der Vorsorgeuntersuchung zur Brustkrebsfrüherkennung teilgenommen, dem Mammographiescreeningprogramm.“ Von dort erhielt sie nun eine Einladung zur Abklärung einer Auffälligkeit in der linken Brust. Ein Termin zur weiteren Diagnostik. Das hieß: erneute Mammographie, Ultraschall, Gewebeprobeentnahme (Stanzbiopsie). Oberärztin Esther Roscher war dann im Görlitzer Klinikum eine der ersten, die sie im Rahmen der Abklärung weiter betreute. „Sie war so fürsorglich und kompetent, dass ich mich gleich gut aufgehoben fühlte. Auch wenn ich komplett neben mir stand.“ Als Conny Seidel erfuhr, dass sie Brustkrebs hat, stand ihre Entscheidung schon fest: „Die Behandlung soll an meinem eigenen Krankenhaus stattfinden“.
Reden die wirklich über mich?
Dr. Steffen Handstein, Leiter des Mammazentrums Ostsachsen am Görlitzer Klinikum, teilte ihr das Ergebnis der Untersuchungen sehr behutsam mit. Er sprach über Behandlungsmöglichkeiten und darüber, dass erst genau abgeklärt werden muss, welche Eigenschaften der Tumor hat, um eine Therapie festzulegen. Im so genannten Mammateam wurden die Therapieoptionen besprochen. Dort beraten Radiologen, Pathologen, Gynäkologen, Onkologen, Plastische Chirurgen und Strahlentherapeuten die verschiedenen Behandlungsschritte.
In dieser Situation wurde ihr bewusst, was ihr hier vor Ort in Görlitz für eine professionelle Rundumversorgung zur Verfügung steht. Auch wenn sie gern darauf verzichtet hätte. „Ich fühlte mich von Anfang an gut aufgehoben. Trotzdem fragte ich mich die ganze Zeit: Reden die wirklich über mich?“ Begriffe wie „Chemotherapie“, „Operation“, „brusterhaltend“, „Strahlentherapie“, „Reha“, „Antihormontherapie“ fielen und es ging immer um sie. Plötzlich war sie Patientin. Sie kannte die Kollegen, die da über sie sprachen, sehr gut und schon sehr lange. Jedoch nicht aus dieser Perspektive.
Eine große Stütze war ihr von Anfang an die Koordinatorin des Mammazentrums, Manuela Böttcher. „Sie hat mich die ganze Therapie über begleitet, bei jeder Besprechung war sie dabei. Ich hätte mir in dieser Zeit niemanden mehr an meiner Seite gewünscht, als sie. Sie hat als Koordinatorin eine Schlüsselposition für die Patientinnen inne und eine so empathische Art, einen aufzufangen und Mut zu machen.“
Mama, Du wirst wieder gesund
Wenige Tage danach stand das Therapieschema fest. Der Tumor wurde brusterhaltend operiert, d. h., die Ärzte entfernten den Tumor mit Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe und zwei Wächterlymphknoten, die Brust konnte erhalten bleiben. Die entnommenen Lymphknoten wurden noch während Conny Seidel im OP lag in der Pathologie des Klinikums untersucht. Bei diesem so genannten „Schnellschnitt“ stellen die Pathologen während der Operation fest, ob der Tumor bereits makroskopisch (augenscheinlich) Tumorzellen in die Lymphknoten gestreut hat. Alle weiteren Untersuchungen des Pathologen unter dem Mikroskop und mit anderen Verfahren erfolgen in den Tagen nach der Operation.
„Die Operation war eine große Belastung, aber ich wusste, dass ich Glück im Unglück hatte.“ Dr. Handstein konnte ihr aufzeigen, wie gut ihre Heilungschancen bei dieser Form von Tumor sind. Dass sie keine Chemotherapie brauchte, war für sie eine Riesenerleichterung. Doch auch die Strahlentherapie war kein Spaziergang. 28 Mal, jeden Tag, außer an Feiertagen und Wochenenden für einige Minuten. „Auch wenn man die Strahlen nicht spürt, das Gewebe und die Haut wird stark geschädigt“, sagt sie. Es war schmerzhaft und so erschöpfend, dass sie gegen Ende manchmal einfach nicht mehr hingehen wollte. Aber Aufgeben war keine Option. „Meine Tochter hat mir sehr geholfen. Sie konnte in dieser Zeit bei mir sein, weil ihre letzten Prüfungen im Studium auf Grund von Corona ausgesetzt wurden. Sie hat mich so sehr motiviert aufzustehen, hinauszugehen und jeden Tag viel zu laufen. Sie war fröhlich und positiv. Das tat so gut! Ich war und bin so stolz auf sie! Für sie stand fest: Mama, Du wirst wieder gesund!“
Durchatmen an der Ostsee
Nach der letzten Bestrahlung packte sie ihre Tasche und fuhr für eine Woche an die Ostsee. „Ich konnte endlich mal wieder durchatmen das tat sehr gut.“ Der Sozialdienst im Klinikum hatte ihr für die Zeit danach bereits ein Rehamaßnahme im Reha-Zentrum in Lübben beantragt. „Eigentlich wollte ich ja gleich wieder arbeiten, aber ich bin sehr froh, dass ich mich doch für die Rehamaßnahme trotz Corona entschieden habe. Die Therapeuten dort wissen echt was sie tun, ich fühlte mich mit jedem Tag gestärkter.“ Sie lernte viele Patienten:innen kennen, die das gleiche Schicksal teilten. „Ich habe eine Menge tolle Menschen getroffen, die positiv mit ihrer Erkrankung umgehen. Dieser Austausch mit anderen Betroffenen ist unglaublich wertvoll!“
Die Krankheit hat viel mit mir gemacht
Seit acht Wochen ist Conny Seidel zurück im Dienst. Wenn man sie sieht, ist es fast, als wäre nichts gewesen. Und doch ist für sie alles anders: fünf Jahre regelmäßige Nachuntersuchung, ein Schwerbehindertenausweis in der Tasche und eine andere Sicht auf ihr Leben: „Die Krankheit hat viel mit mir als Mensch gemacht. Ich denke viel nach, ich lebe bewusster und gehe achtsamer mit mir um.“ Sie strahlt Lebensfreude aus und genießt kleine Dinge viel intensiver, die für sie vorher Selbstverständlichkeit waren. „Ich sehe das alles als Geschenk, es hätte auch anders kommen können.“ Deshalb appelliert sie auch an alle Frauen und Männer da draußen, zur Vorsorge zu gehen. „Mein Tumor war so klein, den hätte ich selbst nicht ertastet“, sagt sie. Die Vogel-Strauß-Methode bringt nichts. „Bei allem Schrecken, der dann vielleicht kommt, hat das Screening ja oft das Ergebnis, das nichts ist. Und wenn doch, dann sind die Heilungschancen größer, je eher der Tumor entdeckt wird.“
Ich bin so dankbar
Conny Seidel hat sich auch ganz bewusst dafür entschieden, ihre Geschichte öffentlich zu machen, weil sie Danke sagen möchte, den Ärzten, Pflegekräften und dem ganzen Team des Mammazentrums am Klinikum, ihrer Familie, ihren Freunden, ihren Kollegen: „Ich habe so viel Zuspruch von Kolleginnen und Kollegen bekommen, das berührt mich immer noch so sehr. Kleine Kärtchen und Geschenke auf meinem Nachttisch, liebe Nachrichten haben mich auf allen möglichen Wegen erreicht. Mir ist so viel Mitgefühl, Aufmunterung und Anteilnahme zuteil geworden, das hat mich oft sprachlos gemacht. Zudem haben die Kolleginnen meiner Abteilung, federführend Birgit Götz mit tatkräftiger Unterstützung von Beatrice Weise, auch ohne mich und in dieser aufregenden, anstrengenden Zeit einen wirklich tollen Job gemacht. Ich bin total stolz auf „meine Mädels.“
Eine von Neun Frauen erkrankt in ihrem Leben an Brustkrebs. Das zertifizierte Mammazentrum Ostsachsen klärt über die Erkrankung, Risiken, Vorsorge, Diagnostik und Behandlung auf. Am 21. Oktober ist Weltbrustkrebstag. Von 17:30 – 18:30 können Sie Ihre Fragen in einem Livechat stellen: livechat.klinikum-goerlitz.de Unsere Experten des Mammateams freuen sich auf Sie.
Mehr Infos zum Mammazentrum: mammazentrum.klinikum-goerlitz.de